Im Coaching zur Karriereentwicklung oder der beruflichen (Neu-)Orientierung erlebe ich immer wieder, dass meine Klienten Zweifel, Bedenken, Ängste oder Desillusion äußern, die sie von ihrem Ziel abhalten. Solche Gefühle spielen auch bei Sportarten eine wichtige Rolle. Mir fallen in letzter Zeit dazu besonders Erfahrungen und Erkenntnisse in der vielseitigen Sportart Klettern ein: z.B. Motivation, Begeisterung, Ängste, Versuch & Irrtum, Mühe, Zweifel, Scheitern, Erfolge, Lernzuwachs, Teamarbeit, Vertrauen, Selbstbestätigung, Glaubenssätze … Ich erkenne hier tatsächlich viele Parallelen. Nachfolgend werde ich einige typische Herausforderungen sowohl beim Klettern als auch beim beruflichen Aufstieg sowie mögliche Lösungsansätze skizzieren.
Der Weg nach oben ist das verbindende Element: es ist die Überwindung einer Schwierigkeit, die eine Barriere zum Ziel bildet und die es zu überwinden gilt. „Oben“ ist vor allem im Sport wörtlich zu nehmen, wobei die Schwerkraft überwunden werden muss, die dem Erreichen des Gipfels entgegen steht. Hier gibt es viele Möglichkeiten, es dennoch zu schaffen, z.B. mit Technik, Kraft und Beharrlichkeit. „Oben“ im Beruf bedeutet für viele Menschen eine gute (Führungs-)position, die Anerkennung, Gestaltungsfreiheit, gutes Einkommen, Entwicklungsperspektiven, Sicherheit etc. bietet, oder einfach der Schritt aus der Arbeitslosigkeit in ein Arbeitsverhältnis. De Barrieren sind vielfältig, aber auch hier gibt es Strategien, die man/frau beschreiten kann und bei gezieltem, beharrlichen Einsatz eine hohe Erfolgsquote erreicht.
Zunächst sollte Ihnen bewusst werden, aus welchen Gründen Sie etwas erreichen wollen: Klettern und Bergsteigen werden oft als „unnütz“ bezeichnet, dennoch ziehen diese Betätigungen zunehmend Menschen in ihren Bann. In der Kletterhalle oder im Freien ist es eine große Freude/Selbstbestätigung, wenn es Körper und Geist ermöglichen, einen schwieriger Weg erfolgreich zu meistern. In den Bergen kommt noch der Naturgenuss und die Übersicht hinzu, die manchmal hilft, Dinge klarer zu sehen. Oder man einer möchte sich einfach nur fit halten. Auch diese Motivation trifft sicherlich auf den beruflichen Aufstieg zu: Man/frau will eine konkrete Veränderung der Arbeits- und Lebensverhältnisse, aber sicher auch das befriedigende Gefühl, erreicht zu haben, was möglich und erwünscht ist (bzw. was andere schon geschafft haben, was Partner/Eltern/Freunde erwarten …). Es könnte auch der gesellschaftliche Beitrag sein, der im Beruf geleistet werden kann. Machen Sie sich klar, welche wirkliche Motivation Sie antreibt, wenn Sie sich für eine berufliche Veränderung entscheiden.
Was genau ist Ihr Ziel? Beim Bersteigen orientieren sich viele Menschen am Erklimmen bekannter Gipfel oder sie wollen so gut sein wie ihre Vorbilder. Beim Hallenklettern ist es oft das Durchsteigen von Routen eines bestimmten Schwierigkeitsgrades (bzw. dies in einem Stück zu tun, ohne sich zum Ausruhen ins Seil zu setzen); das Ziel kann aber auch darin bestehen, die gleiche Leistung mit weniger Krafteinsatz, also mehr Technik zu schaffen, was in entspannteren Muskeln resultiert und längere Durchhaltefähigkeit ermöglicht. Auch hier fallen mir berufliche Ziele ein: eine höhere, besser bezahlte, angesehene Position ist häufig das Ziel; es kann aber auch die gleiche Position mit höherwertigen Aufgaben sein (mehr Verantwortung und Gestaltungsfreiheit) oder die gleiche Position mit anderer Arbeitszeit bzw. -verteilung, -ort (Rahmenbedingungen). Ein ebenso bedeutendes Ziel ist ein (u.U.) befristeter Arbeitsvertrag oder eine freiberuflicher Auftrag, der den Weg ebnet zu einem Anstellungsverhältnis oder eine langfristige Perspektive darstellt.
Es ist sinnvoll, das Projekt in kleine Schritte aufzuteilen, um die Realisierung zu fördern. Beim Klettern ist es wichtig: sich gut vorbereiten (Details planen, sich aufwärmen), zunächst leichte Aufstiege wählen, auch mal abbrechen, wenn es nicht weiter geht, mit kleinen Erfolgen zufrieden sein, die einen Baustein zu „Höherem“ darstellen können. Nach dem Toprope-Klettern folgt der Vorstieg, der mehr Eigenverantwortung mit sich bringt. Auch der berufliche Aufstieg vollzieht sich in längeren Phasen, die Monate oder Jahre umfassen können. „Meilensteine“ sind hier wichtig, die das Erreichen von Teilzielen markieren, z.B. Recherchen nach Möglichkeiten, ein erstes Gespräch mit dem Vorgesetzten, eine Weiterbildung, die Übernahme zusätzlicher bzw. herausfordernder Aufgaben, die Teilnahme an Gremiensitzungen und letztlich die Abgabe einer konkreten Bewerbung, Vorstellungsgeprächsrunden und bei Einstellung die Probezeit.
Wie ist nun mit Chancen, Risiken und Absicherung umzugehen? Die Gefahr ist beim Klettern offensichtlich, droht doch der Sturz, wenn die Techniken durch Kletterer und Sicherer nicht eingehalten werden. Dieses Risiko wird minimiert durch diverse Sicherungsmaßnahmen einschl. der gegenseitigen Kontrolle vor dem Klettern, dem Partner-Check. Dann kann der Kletterer die Chance ergreifen, in der Route weiter zu kommen (z.B. einen entfernteren, schwierigen Griff zu erreichen) – er geht dabei das Risiko eines kurzen Sturzes ein, wird jedoch vom Sicherer gehalten. Die Chancen und Risiken eines beruflichen Wechsels sind nicht zu leugnen: Selbst beim betriebsinternen Wechsel einer Position kann vieles besser oder schlechter werden, erst Recht beim Arbeitgeberwechsel. Sie können das Risiko minimieren, indem Sie sich zunächst gründlich informieren (mit Hilfe Ihres Netzwerkes, der Selbstdarstellung und Sekundärinfos über den zukünftigen Arbeitgeber, aber auch entsprechende Bewertungsportale wie z.B. kununu). Beim Antritt der neuen Stelle ist ein Einarbeitungsprogramm und ein Mentor hilfreich. Sie könnten eventuell mit Ihrem Vorgesetzten für den Fall, dass es nicht gut geht, eine Rückkehr, eine freiberufliche Tätigkeit oder die Empfehlung für einen anderen Arbeitsplatz vereinbaren. Mit das größte Risiko gehen Sie ein, wenn Sie sich selbständig machen und dafür viel investieren müssen; aber auch hier gibt es Absicherungen (institutionell, menschlich) und ohne ein wenig Mut wäre wohl kaum ein Unternehmen entstanden! Als Arbeitsuchender gehen Sie eigentlich kein Risiko ein, weil Sie immer wieder in das bisherige „Auffangnetz“ zurückkehren können. Der „Partner-Check“ besteht beim Bewerben also in Erkundigungen und im Rückkoppeln mit Menschen, denen Sie vertrauen und die sich in der Materie auskennen – angefangen bei kleinen Schritten wie der Rechtschreibkontrolle Ihrer Bewerbung!
Nun haben Menschen oft Glaubenssätze, die Veränderungen in allen Bereichen verhindern, z.B. Ich kann das nicht, andere sind besser, ich bin zu alt, zu unerfahren, das machen schon so viele andere … Beim Klettern wie bei vielen Sportarten sind jüngere, muskuläre Menschen im Vorteil, aber viele Ältere und „Unsportliche“ kompensieren Kraft durch Technik und Beharrlichkeit und können so erstaunliche Erfolge verbuchen. Sie punkten mit Erfahrung, der nötigen Gelassenheit, so dass viele gute Kletterer jenseits der 40 sind. Dieses Alter wird auch im Berufsleben oft als Wendepunkt bezeichnet, ab dem man „keine Chance mehr hat“; glücklicherweise verschiebt sich diese Grenze für Jobwechsler nach hinten und viel mehr Ältere bleiben weiterhin in Lohn und Brot. Von Bedeutung ist, wie geistig (und ggf. körperlich) flexibel der/die Beschäftigte ist: Beharren die Älteren auf ihren Rechten/machen „Dienst nach Vorschrift“ oder entwickeln sie sich weiter/lernen Neues hinzu? Chancen bestehen zunehmend auch für Menschen, die weniger Berufspraxis und nicht die idealen Abschlüsse haben, denn der Fachkräftemangel kommt allmählich in den Betrieben an. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Überzeugen Sie einen Arbeitsplatzanbieter davon, dass Sie ihn bei seinen Herausforderungen unterstützen werden – durch Ideen, Konzepte, Leistungen, die Sie vielleicht schon als Freiberufler, im Privatleben oder Ehrenamt bewiesen haben! Wer die o.g. Glaubenssätze vor sich herträgt, verpasst mögliche Chancen und erlebt dann genau das, was er/sie gefürchtet hat.
Was ist nun die Quintessenz, wenn man/frau sich beruflich verändern will (oder im Sport weiterkommen)?
- Sich nicht von den ersten Hürden abhalten lassen,
- sich an Bereiche des Lebens erinnern (z.B. Schule, Ausbildung, Privatleben, Ehrenamt, Hobby, Auslandsaufenthalte…), wo kleine Schritte zum Erfolg geführt haben, möglichst auch an die damalige Motivation und Strategie,
- sich den erwünschten Zustand in allen Einzelheiten regelmäßig vorstellen – eine Vision zieht ungemein,
- mal was Neues ausprobieren und alle Chancen nutzen, dabei die möglichen Risiken durch „Auffangmatten“ minimieren.
Nehmen Sie es sportlich!
Diskutieren Sie mit:
Welche Erfahrungen haben Sie beim Klettern (oder anderen Sportarten) gemacht, gerade wenn Sie nicht unter optimalen Bedingungen angefangen haben? Welche Barrieren beim beruflichen Aufstieg haben Sie erlebt? Wie sind Sie damit umgegangen, was hat letztendlich geklappt? Wie risikofreudig sollte man/frau sein?
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